Wenn wir feiern, dann gscheid“

Die Faschingsgesellschaft des TV Dingolfing startet furios in die närrische Saison

Von Christian Däullary

 

Eine ausverkaufte Stadthalle,  viele schick gekleidete Damen in Glitzerkleidern, etwa ebenso viele Herren im Smocking oder Anzug, ein entmachteter Bürgermeister, der die Lust an der Schauspielerei für sich entdeckt und vor allem viel, viel klatschende Hände und Jubelstürme nach einem brillanten Feuerwerk an tänzerischer Lebensfreude, atemberaubender Akrobatik, Klamauk und politischem Kabarett. Das alles und noch viel mehr hatte versäumt, wer am Freitagabend nicht bei der Inthronisation der Faschingsgesellschaft des TV Dingolfing war – von den Schlachtrufen „Zünftige Dingolfinger… Maschkera“ erst gar nicht zu sprechen.

Der Abend hatte noch gar nicht offiziell begonnen, da erklang im Foyer der Stadthalle ein seltsames Geräusch, das an Vuvuzelas erinnerte und vermutlich dem Aufwärmritual der feurigen Gardetänzerinnen und -tänzer geschuldet war. Kurz darauf erklangen die ersten Töne von der Stadthallenbühne: „Wir sagen Hello again“ sangen die Monsters of Humppa in ihren Siebzigerjahre-Glitzerjacken und setzten mit ihrer Liedzeile „Fasching ist, was man nie vergisst“ die Marke, die es an diesem Abend zu bewältigen galt. Kaum waren die Musiker hinter dem Vorhang verschwunden, schlüpfte auch schon das Turnvereinsurgestein Toni Kiebler samt Mikro und guter Laune durch den selbigen und begrüßte die applaudierenden Gäste in seiner gewohnt souverän verschmitzten Art.

„50 Jahre Fasching der Neuzeit“ kündigte Kiebler an und übergab fürs Erste das Wort an seine beiden Hofmarschallinnen Maria Wälischmiller und Edith Fließer-Demmelmaier. Nach Begrüßung der politischen Ehrengäste und der befreundeten Faschingsabordnungen aus Teisbach, Simbach und Landau forderten die beiden Moderatorinnen den Hofstaat zum Einmarsch und das staunende Publikum zum Applaus auf. Unter dem „Räddäddädä – Räddäddädä“ der legendären Band Pentrio schritten Kindergarde samt Maskottchen, Prinzengarde, Thronräte, Edeldamen, Hofnarr Michael Lex und natürlich das Prinzenpaar Carolin I. und Martin I. im Takt in Richtung Bühne und nahmen dort Aufstellung. Ihre Lieblichkeit Carolin I. stellte sich als Carolin Elisabeth Meyer vor. Sie ist gebürtige Münchnerin, gelernte Bankkauffrau, 30 Jahre alt und aktuell in Elternzeit mit Thronfolger Gabriel. Der Regent an ihrer Seite ist ein alter Hase im Turnverein, erfuhr das Publikum dann von Martin Meyer höchstpersönlich. Er arbeitet als Programmierer, ist 46 Jahre alt und im echten Leben mit seiner Prinzessin verheiratet. Für Bürgermeister Armin Grassinger begann dann der Ernst des Lebens: Das Stadtsäckel unter den Arm geklemmt, schritt er in nicht unangenehmer Begleitung von zwei Gardemädchen auf die Bühne und ergab sich seinem Schicksal in Form von Macht-, Stadtsäckel- und Rathausschlüsselübergabe, wobei er den neuen Regenten in gereimter Form viel Glück und ein gutes Händchen wünschte: „Um d’Radl-bruck brauchts eich nimmer sorgen“, konnte er Carolin I. und Martin I. schmunzelnd beruhigen. Die Verbannung ins Exil wurde Grassinger durch einen Orden versüßt, was ihn aber nicht davon entband, in jenem Exil eine Aufgabe lösen zu müssen. Hofmarschallin Maria Wälischmiller verkündete diese Exilaufgabe feierlich, die dem Bürgermeister eine Schauspielrolle in einem der folgenden Programmpunkte verhieß. Nah am Wasser Danach freuten sich Landrat Werner Bumeder sowie eine ganze Reihe von Edeldamen und Thronräten über ihren Faschingsorden, bevor es bei der Verleihung des Ehrenordens an Thronrat Günther „Mucki“ Mutz erwartungsgemäß „ganz nah ans Wasser“ ging – wurden doch bei der Laudatio von Maria Wälischmiller Erinnerungen an seine verstorbene Frau Micky wach.

Über Ehrenorden freuten sich dann auch Conny Schemmer, Gui Forstner und Josef Perstorfer – letztere dafür, dass sie als Band Pentrio zusammen mit (dem im letzten Jahr bereits mit einem Ehrenorden ausgezeichneten) Xaver Vogginger seit fast 50 Jahren für die musikalische Umrahmung des Dingolfinger Faschings sorgen.

Einige Bussis, Umarmungen und Blumensträuße später trat erstmals die Kindergarde in Aktion. Zu den Klängen von „YMCA“ und „I am what I am“ zeigte die nächste Generation faschingsbegeisterter Turnvereinsmitglieder, was sie in den letzten Monaten mit viel Fleiß und Disziplin von ihren Trainerinnen gelernt hatten. Belohnt wurden die Kids mit überschwänglichen Bravo-Rufen und einer klatschenden Stadthalle. Kaum hatten die Hände wieder zur Ruhe gefunden, trat die Prinzengarde unter dem Kommando „Garde marsch!“ in Aktion. Das Motto des Marsches war in diesem Jahr „Hooked on Tschaikowski“. Das Faschingspublikum konnte sich davon überzeugen, dass die 16 Tänzerinnen samt ihrem Tänzer es lieben, zu klassischer Musik zu tanzen. Danach folgte mit dem Walzer des Prinzenpaares der Höhepunkt des traditionellen Teils, wobei zu erwähnen ist, dass Carolin I. und Martin I. das Training selbst in die Hand genommen hatten und lediglich vom Vater der Prinzessin unterstützt worden waren. Der Lohn für das harte Training war ein nicht enden wollender Applaus nach all den taktvollen, eleganten Schritten und Schwüngen und den beeindrucken[1]den Hebefiguren. Nicht immer jugendfrei Mit dem Showtanz „Schwesterherz“ eröffnete die Jugendgarde den zweiten Teil des Abends. Die 22 Mädels im Alter von 11 bis 17 Jahren entführten das Publikum in eine Welt voller Liebe, Angst, Aufopferung und Menschlichkeit. Das Stadthallenpublikum wurde Zeuge einer überaus imposant getanzten Geschichte voller Gefühl und Akrobatik und es war kein Wunder, dass beim Abgang von der Bühne der Boden in der Halle im besten Wortsinn bebte. Weiter ging es mit dem Sketch-Duo Thomas Wippenbeck und Xaver Vogginger, besser bekannt als Dietlinde und Hans-Wernerle, die seit fast 30 Jahren aus dem Programm nicht mehr wegzu[1]denken sind. „Happy Birthday, lieber Fasching“ stimmten die beiden zunächst an, bevor dann ein Sketch den anderen jagte: Nicht immer jugendfrei oder gar woke-konform, aber das störte an diesem Abend niemanden – im Gegenteil. „Wenn wir feiern, dann gscheid“, war das Motto der beiden Faschingsurgesteine. Im nächsten Programmpunkt war der Thronrat rasant unterwegs und legte sich zu den Klängen von „Werner beinhart“ mächtig aufgepumpt in die Kurven. Die im letzten Jahr neu gegründete Sketch-Gruppe „Die Hefeteilchen“ schritten an[1]schließend als lustige Witwen auf die Bühne und man erfuhr, warum die ganz in schwarz gekleideten Da[1]men ihre Ehegatten ins Jenseits befördert hatten, und daher wieder zu haben sind. Im Lauf der Gesangsnummer gab – wie angekündigt – Exil-Bürgermeister Armin Grassinger sein kurzes Schauspieler-Debüt, wobei noch zu beweisen sein wird, ob seine Worte „Mei Mama kocht halt besser“ das Zeug haben, in die Dingolfinger Stadtgeschichte ein[1]zugehen. Die Nummer wurde jeden[1]falls mit einem donnernden Applaus belohnt, ebenso wie die nächste Sketch-Nummer „Aschermittwoch“. Hier war zu erleben, wie sich der Morgen des Aschermittwochs hinter den Kulissen der Faschingsgesellschaft anfühlt und man konnte lernen, dass in solchen Situationen wirklich nur noch eines hilft: Eine Reparatur-Halbe. Beim anschließenden Showtanz hatte das staunende Stadthallenpublikum dann die Gelegenheit, sich ein weiteres Mal von der geballten Tanzleidenschaft des Prinzenpaares zu überzeugen und nach all der tänzerischen Lebensfreude und den atemberaubenden Pirouetten und Hebefiguren waren im ganzen Saal Jubelrufe zu hören. Zu Ovationsstürmen und Schenkelklopfern rissen auch die Monsters of Humppa in ihrem politischen Jahresrückblick das Faschingspublikum hin. Egal, ob Stadtrat Herbert Kreißl als (zum Abbrechen komische) Tagesschau[1]Legende Karl-Heinz Köpcke oder der immer mehr dem Alkohol anheimfallende Außenreporter Willy Wichtig: Was die Monsters in ihrer Nummer auf die Bühne brachten, war (kommunal-)politisches Kabarett von ganz hoher Güte. Die Showtanz-Gruppe imPULS sorgte im Anschluss mit ihrer Darbietung „Gefühle“ dafür, dass so manch ein Stadthallenbesucher die Luft anhielt: Wie hier Anmut mit Akrobatik und Können mit ausdrucksstarker Kreativität verbunden wurde, war schon überaus beeindruckend und bei all den atemberaubenden Hebefiguren und Tänzerinnen, die wie Raketen durch die Luft geschleudert wurden, dachte so manch einer eher an Stunts als an Showtanz. Nicht umsonst schlug Toni Kiebler danach Bürgermeister Armin Grassinger vor, über die Höhe der Stadthalle im Bereich der Bühne nachzudenken, schließlich brauche man sich nicht zu wundern, wenn die Tänzerinnen irgendwann einmal in der vierten Etage landen würden. Das geballte Adrenalin entlud sich nach der spektakulären Show in einem donnernden Applaus und Jubelrufen. Nachdem sich wie[1]der zahlreiche Faschingsgönner und verdiente Mitwirkende über ihren Orden freuen durften, gab die Kolping-Schauspieltruppe mit ihrer Interpretation der Kult-Dating-Show „Herzblatt“ mit Moderator Valentin Walk ihr humoristisches Können überaus eindrucksvoll zum Besten. Die beiden Freunde Georg Scheurle und Carsten Vogginger beleuchteten – nicht minder humoristisch – das Thema Social Media auf ihre Art. Danach folgte schließlich der Höhepunkt des Abends: Der Show[1]tanz der Prinzengarde mit dem Titel „Tag und Nacht“. Auch hier war atemberaubende Akrobatik zu bestaunen und am Ende des Abends gingen die Superlative zur Neige, mit denen man die unfassbare Darbietung der Showtänzer des Turnvereins kommentieren hätte kön[1]en: Es war einfach kaum zu fassen, was eben stattgefunden hatte. Als das große Finale auf der Stadthallenbühne schließlich schunkelnd eingeläutet war, lagen fast fünf Stunden Spektakel, Lebensfreude, Klamauk, Akrobatik und ganz viel „Zünftige Dingolfinger… Maschkera“ hinter den Mitwirkenden und den Besuchern – wobei die Nacht für die meisten damit noch lange nicht zu Ende war.

 

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