DA: Herr Kiebler, die Zweitligamannschaft des TV Dingolfing musste nach dem zweiten Lockdown Mitte Dezember ebenfalls eine Spielpause einlegen. Haben Sie die Entscheidung damals verstanden?
Anton Kiebler: Leider nicht ganz, denn der Arbeitskreis der Zweitligisten hatte mehrheitlich für eine Fortführung der Saison gestimmt und damit war es schon etwas überraschend, dass sich die Verantwortlichen der Volleyball-Bundesliga (VBL) für eine Saisonunterbrechung entschieden haben. Wir waren auf alle Fälle in guter Vorbereitung auf das letzte Spiel vor Weihnachten in Lohhof wie auch für die erste Begegnung in 2021 in Planegg.
DA: Umso überraschender dann die nächste Nachricht, dass die Zweite Liga am vergangenen Wochenende wieder den Spielbetrieb aufnahm. Sie hätten in Dresden spielen sollen. In einer der Corona-Hotspots. Kommt man sich bei solchen Verbandsentscheidungen manchmal wie in einem falschen Film vor?
Anton Kiebler: Die nächste Überraschung für uns war dann, dass die VBL am 4.Januar per Mail den Zweitligisten unmissverständlich mitteilt, dass der Spielbetrieb am 16./17.Januar wieder aufgenommen wird, obwohl man befürchten musste, dass der Lockdown einen Tag später verlängert und verstärkt werden wird. Bezüglich dem Dresden-Spiel haben wir von der Regelung der Liga Gebrauch gemacht, bei Inzidenzwerte über 200 die Begegnung verlegen zu dürfen, was auch dann genehmigt wurde, nachdem die Inzidenzwerte in Sachsen allgemein und in Dresden speziell über der fixierten Grenze sind.
DA: War der Entschluss nicht nach Dresden zu fahren mit der Mannschaft abgestimmt oder zogen Sie als Vorsitzender die Reißleine?
Anton Kiebler: Eine solche Entscheidung wird immer mit der Mannschaft, dem Trainer und den Verantwortlichen zusammen getroffen. Hier zählt vor allem die Meinung des Hygienebeauftragten Hans Böhm, gleichzeitig VolleyballAbteilungsleiter, der bei den Arbeitskreisen der Volleyball-Bundesliga teilnimmt und sehr akribisch das 50seitige Hygienekonzept der Liga umsetzt. Aber die Bedenken der Mannschaft waren letztendlich der ausschlaggebende Faktor für den Antrag zur Verlegung.
DA: Wie bereitet sich die Mannschaft generell auf den Re-Start vor?
Anton Kiebler: Zunächst haben die Spielerinnen vor dem ersten Training im neuen Jahr am 9.Januar ihre Bedenken in einer Videokonferenz geäußert bezüglich Infektionsgeschehen und Saisonverlauf. Daraufhin haben wir beschlossen, zum einen die Trainingsintensität von dreimal auf zweimal Training die Woche zu reduzieren, um unsere Kontakte zu minimieren und zum zweiten, machen wir jetzt vor jedem Training Schnelltests, die allerdings mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden sind. Gesundheit geht vor – und wir versuchen alles, die Mannschaft mit Trainer- und Betreuerstab zu schützen !
DA: Wie sieht es vor allem in puncto Motivation aus. Vielerorts merkt man eine leichte Corona-Müdigkeit. Hat die Mannschaft noch Lust die Saison zu Ende zu spielen?
Anton Kiebler: Die Lust, die Saison zu Ende zu spielen, ist sicherlich vorhanden bei allen Umständen, die diese Saison fordert wie beispielsweise die ständigen Tests oder auch die Erlaubnis der Arbeitgeber für das Mitwirken bei Training und Spiel. Wir müssen Flexibilität zeigen bei Training und Spiel, hinsichtlich Spielverlegungen, Trainingsbedingungen und einiges mehr, zeitlich wie organisatorisch. Auch wir im Umfeld haben sehr viel Arbeit, obwohl wir nur „Geisterspiele“ veranstalten dürfen. In meiner nunmehr 46jährigen Tätigkeit im Volleyball habe ich eine solche Saison natürlich noch nicht erlebt mit schon fast täglichen Herausforderungen in der Bundesliga, aber auch im Verein. Es zermürbt uns aber alle langsam !
DA: Apropos Lust: Der Breitensport ist zum Erliegen gekommen. Wie geht es Ihnen als Vereinsvorsitzender nach zehn Monaten Corona?
Anton Kiebler: Wenn man über 100 Stunden Sport in der Woche anbietet, elf verschiedene Sportarten im Verein beherbergt und alles ruhen lassen muss, dann kommt man natürlich als Vereinsvorsitzender ins Überlegen: kommen die Aktiven vom Kleinkind bis zu den Senioren wieder in die Übungsstunden, verlieren wir Mannschaften in unseren Ballsportarten, verlieren wir den Nachwuchs ? Vor allem die Nachwuchsarbeit bereitet uns große Sorgen mit der Befürchtung, dass wir Vieles wieder von vorne aufbauen müssen. Bei den Trainingseinheiten über Video bemerken wir eine immer stärker werdende Lethargie vor allem bei den Kindern und Jugendlichen. Immer weniger nehmen daran teil, so dass dies eine schwere und riesige Aufgabe werden wird, bei Wiederaufnahme des Breiten- und Amateursports wieder zum bisherigen Umfang zurückkehren zu können. Aber die Pause hat vielleicht auch etwas Gutes. Man überlegt die weitere Zukunft des Vereins, eventuelle Strukturänderungen, Erweiterung des Sportangebotes, Übungsleiterrekrutierung und einiges mehr. Außerdem können Dinge derzeit erledigt werden, die schon seit geraumer Zeit liegen geblieben sind.
DA: Haben Sie Angst, dass Ihnen die Mitglieder weglaufen?
Anton Kiebler: Die Befürchtung ist natürlich gegeben, wenn man über fünf Monate kein Sportangebot mehr durchführen kann und derzeit kein Ende abzusehen ist. Wir hoffen und bitten, dass uns die rund 1750 Mitglieder dem Turnverein treu bleiben, ob aktives oder passives Mitglied. Mit ihren Beiträgen schaffen unsere Mitglieder die finanzielle Basis des Vereins, die wir vor allem für unsere Nachwuchsarbeit und dem Angebot von elf verschiedenen Sportarten unbedingt benötigen. Daher der Appell an die Mitglieder der aller Vereine: Bleiben Sie bitte Ihren Vereinen treu !
Wie läuft die Kommunikation mit den Abteilungsleitern ab?
Anton Kiebler: Zunächst muss ich anmerken, dass wir derzeit absolut engagierte und zuverlässige Abteilungsleiter haben. Wie zu den Vorstands- und Turnratsmitgliedern läuft die Kommunikation über Mail, Telefon und WhatsApp. Einmal im Monat findet die fixe Turnratssitzung statt, nunmehr seit April letzten Jahres nur noch per Videokonferenz und leider nicht mehr in unserem Vereinslokal. Der persönliche Kontakt ist derzeit leider nicht möglich, was die gesellschaftlichen und sozialen Komponenten des Vereinslebens gegen Null fahren lässt.
DA: Viele Sportmediziner befürchten, dass der andauernde Lockdown extrem negative Auswirkungen auf die Kinder hat. Playstation statt Turnen; iPad statt Fußballtraining. Befürchten Sie ebenso gravierende Auswirkungen?
Anton Kiebler: Absolut. Ob sie gravierend werden, wird uns die Zeit nach der Pandemie zeigen. Aber gerade im Nachwuchsbereich wird es schwierig werden, die Kinder und Jugendlichen wieder zum Sport zurück zu bringen. Da werden sicherlich enorme Anstrengungen auf den Verein, die Abteilungsleiter, Übungsleiter und Trainer zukommen. Je länger der Vereinssport und auch der Schulsport unterbunden wird, desto größer wird wohl die Lethargie bei den Kindern und Jugendlichen werden, abgesehen von Bewegungsarmut, noch weniger Koordination und wachsender Lustlosigkeit, einem Hobby, was nicht nur der Sport sein braucht, nachzugehen.
DA: Was raten Sie verzweifelten Eltern, um die Kinder doch zur Bewegung zu animieren?
Anton Kiebler: Zumindest einmal am Tag nach draußen zu gehen in die frische Luft. Zum nächsten Spielplatz zu gehen, vielleicht mal einen Ball mitzunehmen oder zumindest einen Spaziergang zu machen. Zusätzlich könnten die Kinder auch die Vereinsangebote von Übungsstunden per Video und auch live annehmen. Hier gibt es mittlerweilen ein großes Angebot in den sozialen Medien.